Tourexpi
Fast
jeden Morgen und jeden Abend taucht Petra Karjalainen im Sommer in das
erfrischende Wasser ihres Sees ein und schwimmt eine Runde. Schliesslich
befindet sich der See direkt vor ihrem Haus. „Ist das nicht herrlich?”,
schwärmt die 62-Jährige und zeigt auf die traumhafte finnische Naturlandschaft,
die ihr Haus umgibt, sowie auf das plätschernde Wasser des Sees, der mit seinen
sanften Wellen lockt. Seit über 35 Jahren lebt die Schweizerin aus Blauen im
Basler Land nun in Finnland. Die erste Zeit wohnte sie zusammen mit ihrem
ersten Mann und vier Kindern in der ostfinnischen Stadt Joensuu, 2014 zog es
sie mit ihrem jetzigen Mann Lasse und dem Nachwuchs aufs Land, ins südfinnische
Dorf Pulsa. Hier erwarb die Familie ihr Haus am See, ein Kleinod, das Petra
selbst nach zehn Jahren immer noch begeistert. Mittlerweile gehört den
Karjalainens aber ein weiteres Schmuckstück des Dorfes: sie haben der alten
Bahnstation von 1869 Pulsan
Asema neues Leben eingehaucht, betreiben hier ein Bed & Breakfast samt
Laden, Rösterei und Café und sind wohl die einzigen, die in Finnland Raclette
anbieten.
„Das
hat natürlich mit meinen schweizerischen Wurzeln zu tun, aber das Raclette wird
sehr gut von den Finnen angenommen“, erklärt Petra. Schliesslich hätten sie
auch vieles gemeinsam mit den Eidgenossen. „Man kann sich zu 100 Prozent auf
sie verlassen, sie sind ehrlich und sehr freundlich“, sagt sie über ihre beiden
Landsleute. Aber anders als die Schweizer, die gerne viel planen, seien die
Finnen lockerer und unkomplizierter. „Ich liebe Finnland“, meint sie. Was genau
sie an ihrer neuen Heimat mag? „Natur, Natur, Natur“. Die Landschaft überall in
Finnland sei sehr schön, habe etwas Magisches. In Pulsa zum Beispiel ist sie
umgeben von Naturschutzgebieten und Seen. Hier geniesst sie die
Ursprünglichkeit und Ruhe, im Sommer das Baden im See, im Winter das Skifahren
zur Arbeit, pro Winter sind das rund 450 Kilometer. Das sei einfach
einmalig.
Die
Liebe zu Finnland entwickelte sich für Petra durch die Liebe zu ihrem ersten
Mann. Sie lernten sich in der Schweiz kennen, als die damals 26-Jährige in
einer Werbeagentur arbeitete. Sie hatte zuvor eine kaufmännische Ausbildung
absolviert und Innendesign studiert. Hals über Kopf verliebten sich die beiden
und beschlossen in Finnland ein gemeinsames Leben aufzubauen. „Die erste Zeit
war hart, ich konnte die Sprache noch nicht und konnte so nicht in meinem Job
arbeiten. Also beschloss ich, neben Finnisch auch ein Handwerk zu erlernen und
entschied mich fürs Handweben“, erinnert sich die Schweizerin. Gesagt, getan.
Nach wenigen Jahren sprach sie nicht nur Finnisch, sondern hatte es auch zur
Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführerin einer Kunsthandwerkvereinigung
gebracht, die sie durch eine Neuausrichtung vor dem Ruin rettete. Und nebenbei
versorgte sie noch ihre vier Kinder, die sie in der Zwischenzeit bekommen
hatte. „Ich bin es gewohnt hart zu arbeiten, komme aus einer Bauernfamilie, da
gab es immer etwas zu tun“, beantwortet sie die Frage, wie sie das alles
geschafft habe.
Überhaupt
scheint Petra sehr entschlossen zu sein, sie fackelt nicht lange, packt mit an,
wo etwas gemacht werden muss. „Mir macht das Arbeiten nichts aus, vor allem,
wenn ich mit solchen Projekten etwas bewirken kann.“ Da ist es nicht weiter
verwunderlich, dass sie nach ihrem Umzug in Lasses Heimatdorf, eine weitere
Rettungsaktion anstand. Die alte Bahnhofsstation des Ortes verfiel, die
verschiedenen Gebäude benötigten dringend eine Sanierung. Eigentlich wollte
Petra kürzertreten, die Stille auf dem Land geniessen, denn im Alter von 39
wurde bei ihr Krebs diagnostiziert, den sie glücklicherweise besiegen konnte.
Im Haus am See wollte sie zur Ruhe kommen. Aber ihr liessen das Areal und die
schönen Gebäude des alten Bahnhofsgeländes keine Ruhe. „Wir haben einen Kredit
aufgenommen und vor zehn Jahren mit den Renovierungsarbeiten angefangen“,
erzählt Petra. Erst entstand das Café im Hauptgebäude, das sofort eröffnet
wurde und auf Anhieb sehr gut lief. So konnten die weiteren Häuser – insgesamt
sind es 15 an der Zahl – nach und nach renoviert werden. Einige davon sind
Ferienhäuser, alle hat Petra individuell eingerichtet, darin modernes und altes
Design miteinander verbunden. Eine Boutique und eine Kaffeerösterei
vervollständigen schliesslich das Ensemble.
„Wir
hatten von Anfang an ein volles Haus und das ohne Werbung. Das liegt vor allem
daran, dass wir Qualität bieten, authentisch sind und uns persönlich um unsere
Gäste kümmern“, erklärt Petra. Mittlerweile zählt Pulsan Asema 50.000 Besucher
im Jahr. Ob ihre Kinder den Betrieb später übernehmen, weiss sie noch nicht.
Sie hat jedenfalls mit Lasse, ihren insgesamt sieben Kindern (drei aus der
ersten Ehe ihres Mannes), ihren fünf Grosskindern sowie dem Haus am See ihr
Glück in Finnlands Süden gefunden und mit dem alten Bahnhof eine erfüllende
Lebensaufgabe.
Pulsa
ist ein idyllischer Ort und liegt "mitten im Nirgendwo" nur 20 km von
der Stadt Lappeenranta entfernt. Dort gibt es auch einen Flughafen, der neben
dem Flughafen Helsinki-Vantaa am nächsten gelegen ist. Von Helsinki aus braucht
man mit einem Auto ungefähr zweieinhalb Stunden bis nach Pulsa. Da Pulsa leicht
abgelegen ist, führen einen die öffentlichen Verkehrsmittel nur per Bus zum
Ort. Auf dem Weg dorthin schlängelt sich eine idyllische Landstrasse zwischen
kleinen Dörfern, Feldern und Wäldern. Am Wegesrand liegen einige
Sehenswürdigkeiten wie der öffentliche Badestrand von Vilkjärvi.
Bildnachweis:
© Visit Finnland
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